Monika Rinck Verzückte Distanzen

Heute wurde bekannt, dass der Kleist-Preis 2015 Monika Rinck zuerkannt wird. Herzlichen Glückwunsch! Aus diesem gegebenen Anlass unterbreite ich der interessierten Leserschaft untenstehende, von 2007 datierende, Besprechung ihres Lyrikdebüts Verzückte Distanzen, und weise auch noch einmal auf die Kritik jüngeren Datums zu ihrem gemeinsam mit Nele Brönner verfassten Buch I Am The Zoo hin, die hier nachgelesen werden kann.
(Debüt stimmt eigentlich nicht, denn bereits 2001 war der Band Begriffstudio 1996-2001 erschienen, ein Listengedicht, oder prozessuales Gedicht, s. hier.)

Monika Rinck, Verzückte Distanzen

Monika Rinck wurde 1969 in Zweibrücken geboren. Sie lebt in Berlin. Verzückte Distanzen ist ihr (Buch-)Debüt – ein keineswegs unbedeutendes Debüt.

Die meisten der Gedichte erzählen Geschichten, gehen von Situationen aus, z. B. von einem Filmdreh, einem Hallenradrennen, einer Bergwanderung, einem Schneetag, einem Dinner. Sie sprechen von Schlaflosigkeit, Körperschwere oder auch („trainingsziele”) von einer erotischen Begegnung in unerotischer Umgebung.
„so einfach” ist eine Vergegenwärtigung der biblischen Brotvermehrung, die bei Rinck aber nicht nur „brot” und „fische”, sondern auch „highheels”, „stiefeletten” und „substanzen” kennt.
Man kann an die Transsubstantiation denken, die Wandlung der Substanz von Brot und Wein in Leib und Blut Christi beim Abendmahl, oder auch an – von der „giftmischerin” in „diskrete pakete” gepackte – Drogenstoffe (so in „nicht haben: substanzen (this is for paddy)”): Kommunion oder Koksen. Oder beides.

Es sind unvorhersehbare und bestrickende Wortkombinationen von lakonischer Surrealität, die Rincks Lyrik auszeichnen. „tapire sind komplexe gesellen der sorgfalt”, beginnt unumstößlich ein Gedicht, in einem anderen reimt sich „nacht” auf „holding”. Die „dekader” entpuppen sich erst auf den zweiten Blick als D-Kader und nicht als verballhornte Decoder.

Wiederbelebungsversuche an überlebten Dichtungsformen fehlen bei Rinck, die Gedichte sind konsequent unserer Epoche verpflichtet und übernehmen von klassischen Mustern nur das, was wirklich von Dauer ist: Rhythmen, Spiel (Arbeit) mit Klängen: „nebel”/„pöbel”, „hagel”/„spargel”, „arme”/„wärme”, „rupfen”/„rufen” – unter möglichem, aber nicht zwingendem Einschluss von Reimen -, Vergleiche, Metaphern. Frisch und innovativ die Bilder: „der stern war ein gadget aus himmeln verdichtet”.

Monika Rincks Ton ist markant und originell. Er wird (sie) weit tragen. – mottz (Monnier Beach, 11.2.2007)

Monika Rinck, Verzückte Distanzen. Gedichte. 48 Seiten, broschiert. Zu Klampen Verlag, Springe 2014. 9,00 Euro (Neuedition des zuerst 2004 erschienenen Bandes)

3 Kommentare zu „Monika Rinck Verzückte Distanzen“

  1. Danke für die interessante und kenntnisreiche Würdigung. (gleich mit Interpretationsanregung).
    Beste Grüße.

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  2. Bitte, gern geschehen! Schön, wenn es dazu anregt, zum Buch zu greifen (oder zu einem ihrer anderen Bücher)! Beste Grüße, und Danke für den Kommentar

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